Herausforderung vor Gericht

In der Praxis kommen steuerlich falsch beratene Mandanten nur selten ohne Prozess zu ihrem Recht. Das mag abschreckend wirken, dies jedoch ist die Realität. Zwar müssen die Steuerberater, weil gegen Berufsversehen pflichtversichert, einen Schaden nicht aus eigener Tasche bezahlen – dennoch räumt kaum ein Steuerberater freiwillig einen Fehler ein und interveniert bei seiner Berufshaftpflichtversicherung zu Gunsten seines Mandanten. Die Versicherungen wiederum lassen es selbst dann, wenn eine Schlechterfüllung des Steuerberatervertrags nahe liegt, darauf ankommen, ob der betroffene Mandant bereit ist, einen Prozess vom Zaum zu brechen. Die Versicherungen bestimmen im Übrigen, welcher Rechtsanwalt den bei ihnen versicherten Steuerberater vor Gericht vertritt. Die Auswahl treffen sie unter einer kleinen Schar von Rechtsanwälten, die sich mit der Materie auskennen.

Da Steuerberaterhaftungsfälle in aller Regel vor Gericht geklärt werden, kommt der Prozessstrategie und dem prozessualen Können des vom falsch beratenen Steuerpflichtigen mandatierten Rechtsanwalts eine erhebliche Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr, als in der Erstinstanz allenfalls größere Landgerichte über spezialisierte Spruchkörper für Fragen der Steuerberaterhaftung verfügen. Nicht immer also kann damit gerechnet werden, dass die Richter vertiefte Kenntnisse über die maßgeblichen Regeln, denen die Haftung des Steuerberaters unterliegt, haben. Schickt der betroffene Mandant nicht selbst einen Experten „ins Rennen“, läuft er Gefahr, dass dem Prozessvortrag des beklagten Steuerberaters nicht das erforderliche Know-how gegenübersteht.


Vorausschauend handeln

Geprägt werden die strategischen Überlegungen im Zusammenhang mit einer geplanten prozessualen Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen vor allem von den Besonderheiten der Vier-Augen-Situation, in der sich das Steuerberatungsverhältnis über Jahre abgespielt hat, bzw. von einer auf Vertrauen beruhenden Zusammenarbeit "auf Zuruf", in der vieles nicht oder nur unzureichend dokumentiert wurde:

Wie etwa kann man beweisen, dass eine Beratung durch den Steuerberater nicht erfolgt ist ? Wie überzeugt man ein Gericht davon, dass man dem Rat des Steuerberaters, wenn er denn erteilt worden wäre, tatsächlich befolgt hätte ? Wie beweist man Aussagen, die der Steuerberater in einem Vier-Augen-Gespräch getroffen hat? Wie weist man nach, in welchem Umfang der Steuerberater beauftragt war ? Wie geht man damit um, dass der Steuerberater für seinen Prozessvortrag eigene Zeugen "aus dem Hut zaubert" ? Und weiter: Wie minimiert man das Prozesskostenrisiko ? Soll (muss) man den Ausgang des Finanzgerichtsprozesses abwarten, den - im Namen des geschädigten Mandanten - der Steuerberater führt, um seinen Fehler "aus der Welt zu schaffen" ? Wie geht man damit um, dass der Steuerberater nach Mandatsbeendigung wichtige Unterlagen nicht herausgibt ?

Die an dieser Stelle nur angedeuteten Fragen zeigen, dass die strategischen Überlegungen im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Steuerberater vielfältig und kompliziert sind. Zugleich beweist die vom Bundesgerichtshof entwickelte und von den Untergerichten zu beachtende Rechtsprechung, dass oftmals die Argumentationslinien der Steuerberater respektive ihrer Versicherer einer versierten rechtlichen Überprüfung nicht standhalten und der betroffene Mandant durchaus Chancen hat, das von der Gegenseite kategorisch geäußerte Nein zur Schadenskompensation zu überwinden.

Die Klage des fehlerhaft beratenen Mandanten ist (trotz Versicherungspflicht des Steuerberaters) im Übrigen gegen den Steuerberater (nicht gegen die Versicherung) zu richten, der Prozess ist vor einem Zivilgericht (nicht vor einem Finanzgericht) zu führen. Zuständig ist in aller Regel das Gericht, in dessen Bezirk der Steuerberater seinen Kanzleisitz hat.

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